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API meldet Abbauten in allen drei wichtigen Bestandskategorien
30. Okt. 2024
Entgegen den Erwartungen der Analysten meldete das API Dienstagabend für die Woche zum 25. Oktober einen Rückgang der landesweiten Rohölvorräte der USA. Die Benzin- und Destillatbestände sollen dem Interessenverband zufolge ebenfalls gesunken sein.
Die Analysten gehen davon aus, dass die Auslastung der Raffinerien in den USA in der vergangenen Woche auf dem Niveau der Vorwoche blieb, was die erwarteten Aufbauten bei den landesweiten Rohölbeständen zumindest begünstigt hätte. Der Bericht des API enthält jedoch keine konkreten Daten zum Raffineriebetrieb, sodass die Ursache für den Rückgang der Rohölvorräte - besonders in Kombination mit den niedrigeren Destillat- und Benzinvorräten, die der Verband meldete, - nicht eindeutig zugeordnet werden kann.
An den Ölbörsen setzte sich der Preisrückgang, zu dem es am Montag gekommen war, am gestrigen Dienstag weiter fort. Bereits zum Wochenstart hatten die Marktteilnehmer einen Großteil der geopolitischen Risikoprämie wieder ausgepreist, weil Israel am Wochenende bei seinem Vergeltungsschlag für den Raketenangriff Irans (am 1. Oktober) die iranischen Atom- und Ölanlagen verschont hatte. Hoffnungen auf eine diplomatische Lösung des Konflikts zwischen Israel und der Hisbollah-Miliz im Libanon ließen die Risikoaufschläge gestern dann noch weiter schrumpfen.
"Ein Waffenstillstandsabkommen im Nahen Osten ist in Sicht, was das Risiko einer breiteren Eskalation mit Auswirkungen auf die Ölproduktion verringert, während die OPEC+ ihre Produktionskürzungen noch immer nicht aufgeben will", meint dazu der Analyst Yeap Jun Rong von IG. Allerdings sieht er den starken Preisrückgang, zu dem es seit Anfang der Woche gekommen ist, auch als Entwicklung, die "einen Versuch der Stabilisierung in der heutigen Sitzung erforderlich machen" könnte. Insgesamt rechnet er jedoch nur mit einem begrenzten Preisanstieg, "da es an bullishen Katalysatoren fehlt, die eine nachhaltigere Aufwärtsbewegung antreiben könnten".
Neben dem Rückgang der geopolitischen Risikoprämie liegt der Fokus der Marktteilnehmer laut Robert Rennie von Westpac Banking Corp. auch auf "der Frage, ob die OPEC+ die geplante Produktionssteigerung fortsetzen wird oder nicht". Die niedrigen Preisniveaus hatten zuletzt Spekulationen über eine weitere Verschiebung der ab Dezember geplanten Rückführung eines Teils der freiwilligen Zusatzkürzungen einiger OPEC+-Länder aufkommen lassen. Und laut Rennie ist es nur eine Frage der Zeit, bis der Preis der Rohölsorte Brent wieder unter die psychologisch wichtige Marke von 70 Dollar pro Barrel sinken wird.
Bis zur nächsten Vollversammlung der OPEC+-Vertreter am 2. Dezember dürfte die Allianz allerdings erst einmal abwarten, wie sich die Lage im Nahen Osten entwickelt, wär die Präsidentschaftswahlen in den USA gewinnt und wie stark die Fed die Zinsen bei ihrer nächsten Sitzung im November senken wird. Die Marktteilnehmer werden ihre Aufmerksamkeit daher zunächst erst einmal auf die Versorgungslage in den USA richten, über die der wöchentliche Ölbestandsbericht des DOE heute um 15:30 Uhr konkrete Informationen liefern wird.
Nach Einschätzung des API haben die US-Bestände an Rohöl, Destillaten und Benzin in der vergangenen Woche abgenommen. Sollte das DOE dies bestätigen, würden vor allem die Mitteldestillatkontrakte (Heating Oil und Gasoil) dadurch gestützt, denn die Vorräte an Destillaten haben seit Mitte September stetig abgenommen und waren in der Woche zum 18. Oktober bereits so niedrig wie seit der Woche zum 8. Dezember 2023 nicht mehr.
Für eine bullishe Einschätzung der fundamentalen Konstellation reicht dies allerdings nicht aus. Diese bleibt tendenziell weiterhin eher bearish, sollte die Situation im Nahen Osten nicht doch erneut eskalieren. Bei den Inlandspreisen zeichnet sich heute Morgen noch keine klare Richtung ab.
Iran will auf israelischen Angriff reagieren
29. Okt. 2024
Teheran hat die Auswirkungen des israelischen Luftangriffs vom Samstag heruntergespielt, sodass am Markt insgesamt keine weitere massive Eskalation erwartet wird. Dennoch wird der Iran die Angelegenheit so wohl nicht auf sich beruhen lassen.
Der Sprecher des Außenministeriums, Esmaeil Baghaei, kündigt an, dass der Iran „alle zur Verfügung stehenden Mittel“ nutzen werde, um auf die Luftangriffe zu reagieren. Teheran könnte entweder erneut selbst aktiv werden und abermals Raketen auf Israel abfeuern, oder eine abgestimmte Aktion seiner Verbündeten der Hamas, Hisbollah und Houthis koordinieren.
Die USA haben unterdessen den Iran im Rat der Vereinten Nationen vor „ernsthaften Konsequenzen“ gewarnt, sollte es weitere aggressive Maßnahmen gegen Israel oder US-Personal im Nahen Osten vornehmen.
Die geopolitische Risikoprämie hat sich am Markt mit dem Wochenbeginn dramatisch reduziert, da die Mehrheit der Trader nicht davon ausgeht, dass Iran und Israel unmittelbar vor einer Eskalation der Situation stehen.
Allerdings ist das Risiko nicht vollständig verschwunden und könnte aktuell sogar unterschätzt werden. „Offensichtlich ist das ein perfektes Beispiel für einen von Schlagzeilen getrieben Markt,“ so Analyst Phil Flynn von Price Futures Group, der darauf verweist, dass „wir noch immer ein großes geopolitisches Risiko haben.“
Der Hinweis aus dem Iran, dass man „alle zur Verfügung stehenden Mittel“ für eine angemessene Reaktion nutzen will zeigt, dass es noch ein gewissen Eskalationspotenzial gibt. Wie groß dieses dann schlussendlich ausfällt hängt sicherlich vom Ausmaß der iranischen Reaktion ab. Dennoch sind Trader nun erst einmal erleichtert, dass sich die Situation mit den israelischen Luftangriffen am Wochenende nicht negativ auf die Ölversorgung aus der Region ausgewirkt hat.
„Während der Ausblick für die Situation im Nahen Osten alarmierend bleibt, rechnet der Markt mit einer vorübergehenden Abschwächung der Vergeltungsschläge zwischen Israel und Iran“, fasst Analyst Hiroyuki Kikukawa, von NS Trading, die Situation zusammen. Damit können sich die Trader erst einmal wieder den physischen Belangen des Marktes zuwenden, und die werden generell bearish eingestuft, so ein Bericht der ING.
Die USA werden zwar weiterhin die Strategischen Reserven aufstocken, die angekündigten Käufe im Mai 2025 haben allerdings kaum Wirkung auf die momentane Situation. Der Markt muss zumindest zum Jahresbeginn 2025 mit einer Überversorgung rechnen, während die OPEC+ eine Produktionssteigerung im Dezember um 180.000 B/T plant, der noch weitere Schritte folgen können.
Derzeit gibt es kaum Meldungen am Markt, die mit dem aktuellen Marktausblick eine bullishe Reaktion rechtfertigen würden. Entsprechend bleiben wir vorerst bei unserer bearishen Markteinschätzung, wobei die geopolitischen Spannungen jederzeit wieder aufflammen können. Mit der weichen Tendenz am Morgen deuten sich momentan zunächst weitere Preisnachlässe für das Inland an.
Naher Osten: Risikoprämie deutlich gesunken
28. Okt. 2024
Am Samstagmorgen hatte die israelische Luftwaffe in drei Wellen Angriffe gegen den Iran geflogen. Dabei nahm die Luftwaffe in erster Linie militärische Einrichtungen und Raketenfabriken des Irans ins Visier, während Nuklearanlagen und Ölinfrastruktur verschont wurden.
Der israelische Premierminister zeigte sich im Anschluss an die Vergeltungsmaßnahme für den iranischen Raketenangriff auf Israel vom 01. Oktober zufrieden und gab an, dass man strategische Raketenanlagen "hart getroffen" habe. Der Iran hingegen sieht die Attacke Israels als mehr oder weniger erfolglos an.
Ayatollah Khamenei sagte, man sollte den Angriff weder "herunterspielen, noch aufbauschen". Generell wird von geringen Schäden gesprochen, was die Wahrscheinlichkeit einer neuerlichen Gegenmaßnahme des Irans ebenso reduziert, wie der Umstand, dass Israel die Öl- und Nuklearanlagen verschonte.
So absurd es sich auch anhört, hat der Angriff Israels dazu beigetragen, dass die Spannungen im Nahen Osten eventuell nachlassen und damit auch die Risikoprämie am Markt abnimmt. Die Attacke wird von den Marktteilnehmern als nicht schwerwiegend genug eingestuft, als dass der Iran eine neue massive Angriffswelle gegen Israel startet.
"Die begrenzte Natur der Angriffe, bei denen auch die Ölinfrastruktur verschont wurde, hat Hoffnungen auf einen deeskalierenden Weg geweckt, wodurch der Risikozuschlag um einige Dollar pro Barrel gesunken ist", so Saul Kavonic, von MST Marquee, der allerdings auch anmerkt, dass "der Markt genau beobachten wird, ob der Iran in den kommenden Wochen nicht zurückschlagen wird – dies könnte den Risikozuschlag erneut ansteigen lassen."
Die Attacke Israels auf den Iran am Wochenende kam alles andere als überraschend, schließlich wartete der Markt bereits seit Wochen auf die Vergeltung Israels. Nach der Ausführung des Angriffs wird dieser nun von den Marktteilnehmern bewertet, die in der Natur der Ausführung scheinbar eine Deeskalation sehen.
Der Angriff wird nicht als schwerwiegend genug eingeschätzt, um die Eskalationsspirale zwischen Iran und Israel weiter anzutreiben – so zumindest die mehrheitliche Einschätzung unter Experten und Marktteilnehmern. Die befürchteten Angriffe auf iranische Atom- und Öl-Anlagen, die das Risiko eines offenen Konflikts mit gravierenden Auswirkungen auf das globale Ölangebot erhöhen könnten, blieben aus. In der Folge wurde ein beträchtlicher Teil der geopolitischen Risikoprämie in der Nacht von den Marktteilnehmern ausgepreist.
Nachdem die Risikoprämie im Nahen Osten wieder in den Hintergrund rücken dürfte, richtet sich der Blick wieder verstärkt auf die physische Versorgungslage. Hier machen die Nachfragedaten aus Asien aktuell wenig Hoffnung auf eine bullishe Entwicklung, da der Bedarf in 2024 bisher unter dem des Vorjahres liegt. Gerade mit Blick auf die erwartete Überversorgung in 2025 ist dies bearish für die Stimmung am Markt. Die Experten von Citi haben daher auch bereits ihre Preisprognose für Rohöl für die kommenden 3 Monate von 74 auf 70 Dollar nach unten korrigiert.
Trader werden nun darauf achten, wie sich der Iran im Gegenzug verhält und ob ein direkter Gegenangriff ausbleibt. Ungeachtet dessen dürften die kriegerischen Spannungen zwischen Israel auf der einen und der Hamas und Hisbollah auf der anderen Seite aber zunächst unverändert bestehen bleiben. Auch die OPEC+ Entscheidung zur Produktionssteigerung wird wieder verstärkt thematisiert, denn bei niedrigeren Preisen wird die geplante Anhebung um 180.000 B/T zum Dezember eventuell weiter verschoben.
Die fundamentale Ausgangslage wird von uns heute Morgen bearish eingestuft, auch wenn bereits ein Großteil der Risikoprämie ausgepreist wurde. Die Nachfrageaussichten bleiben allerdings schwach und belasten damit die Stimmung. Durch den starken Preisrutsch in der Nacht zeichnen sich für das Inland aktuell deutliche Preisnachlässe an.
Russlands Rohölexporte von West-Häfen im November niedriger erwartet
25. Okt. 2024
Russland wird im November wohl weniger Rohöl von den Exporthäfen im Westen des Landes ausführen als noch im laufenden Monat. Da die saisonalen Wartungsarbeiten an den russischen Raffinerien, die in den vergangenen Wochen durchgeführt wurden, allmählich zum Abschluss kommen, geht man in Handelskreisen davon aus, dass sich die russischen Rohölexporte von den Häfen Noworossijsk, Primorsk und Ust-Luga im November nur noch auf etwa 1,95 Mio. B/T belaufen dürften. Dies würde im Vergleich zum Exportniveau von etwa 2,25 Mio. B/T, das im Oktober verzeichnet wurde, einem Rückgang um 13 Prozent entsprechen.
Während die russische Raffineriekapazität in der Herbst-Wartungsperiode (September/Oktober) noch um rund 4,4 Mio. B/T niedriger gewesen sein soll als üblich, gehen Experten davon aus, dass sie im November nur noch um 1,8 Mio. B/T reduziert sein soll. Allerdings setzt diese Einschätzung voraus, dass die russischen Betreiber die Auslastung ihrer Anlagen nach den Wartungen auch tatsächlich wieder steigern wollen. Da die Gewinnmargen im Raffineriesektor derzeit nicht nur in Russland, sondern weltweit sehr niedrig sind, könnten zumindest einige Betreiber drauf verzichten. "Die Rentabilität der Exporte ist aufgrund der schwachen Gewinnspannen, der Preisnachlässe für russischen Kraftstoff und der Transportkosten nach wie vor sehr gering“, so ein Händler, der mit dem Verkauf russischer Ölprodukte zu tun hat.
Das Bemühen der Vermittler um eine Fortsetzung der Waffenstillstandsverhandlungen zwischen Israel und der Hamas (und mittlerweile auch der Hisbollah) hat aktuell wenig Einfluss auf die Rohölpreise an ICE und NYMEX. Dies liegt vor allem daran, dass die Kampfhandlungen zuletzt eher weiter zugenommen haben, statt nachzulassen. Zudem werfen sich Israel und Hamas weiterhin gegenseitig vor, die Verhandlungen zu blockieren. Davon abgesehen steht auch weiterhin der von Israel angekündigte Vergeltungsschlag gegen den Iran für dessen Raketenangriff vom 1. Oktober im Raum.
Auch der Analyst Tony Sycamore von der ING sieht derzeit keinen stärkeren Einfluss der diplomatischen Bemühungen der USA und den übrigen Vermittlerstaaten (wie beispielsweise Katar) auf die Ölpreise. "Wir sind nach wie vor der Ansicht, dass der richtige Preis für Rohöl [WTI, Anm. d. Red.] derzeit bei etwa 70 Dollar liegt, da wir neue Preistreiber abwarten, einschließlich des Ergebnisses der Sitzung des Ständigen Ausschusses des Chinesischen Volkskongresses und der Reaktion Israels auf den iranischen Raketenangriff vom 1. Oktober“, erklärt Sycamore. Am gestrigen Donnerstag war der Preis der US-Rohölsorte kurzzeitig unter 70 Dollar zurückgerutscht, lag beim Settlement (70,19 Dollar) dann allerdings wieder knapp oberhalb des psychologisch wichtigen Preisniveaus.
Was China anbelangt, hatte die Regierung in Peking Ende letzter und Anfang dieser Woche mehrere Maßnahmen zur Ankurbelung der Konjunktur des weltweit größten Rohöl-Importeurs verkündet. Hundertprozentig überzeugt sind die Marktteilnehmer von der Wirkkraft dieser Maßnahmen allerdings nicht. Somit bleibt die Entwicklung der chinesischen Wirtschaft und auch der Ölnachfrage ein Faktor, der an den Ölbörsen auch weiterhin immer wieder für Schwankungen sorgt.
Unterdessen rückt die Präsidentschaftswahl in den USA immer näher, deren Ergebnis sich beträchtlich auf die Handelsbeziehungen der USA und ihrer internationalen Partner auswirken könnte. Die Marktteilnehmer an den Ölbörsen werden daher auf eine ausgeprägte Positionierung in die eine, wie auch die andere Richtung verzichten, zumal kurz nach dem Wahltag (5.11.) auch das nächste FOMC-Meeting ansteht, bei dem der Offenmarktausschuss der Fed über den Umfang der nächsten Zinssenkung entscheiden wird. Dass die Zinsen erneut gesenkt werden, gilt unter den Marktteilnehmern bereits als abgemachte Sache.
Heute Morgen starteten die Ölfutures zunächst einmal oberhalb der Vortagestiefs in den Tag. Mittlerweile testen sie allerdings die ersten Unterstützungen. Daher deutet sich bei den Inlandspreisen aktuell rein rechnerisch weiterhin Potenzial für Abschläge im Vergleich zu den Erhebungspreisen von gestern an.
Analysten: Weltweite Ölnachfrage im August auf Rekordhoch
24. Okt. 2024
Die vergangenen Wochen und Monate waren nicht nur geprägt durch die Entwicklungen im Nahen Osten, sondern auch durch die Bedenken im Hinblick auf die Ölnachfrage. Besonders die chinesische Nachfrage dürfte bei einigen Marktteilnehmern Sorgenfalten hervorgerufen haben. Nichtsdestotrotz erreichte die globale Ölnachfrage nach Einschätzung der Analysten von Standard Chartered im August ein neues Allzeithoch.
In einem Bericht von Standard Chartered, der auf den Daten basiert, die die Joint Organizations Data Initiative (JODI) jeden Monat veröffentlicht, beziffert die Bank die weltweite Ölnachfrage für August mit 103,79 Mio. B/T. In ihren eigenen Schätzungen waren die Analysten vor Erscheinen der JODI-Daten noch von einem um etwa 0,45 Mio. B/T niedrigeren Nachfrageniveau ausgegangen. Im Vergleich zu August 2023 stieg die weltweite Nachfrage damit um 1,32 Mio. B/T.
Zu diesem Wachstum, das schwächer war als im August der Jahre 2021 bis 2023 (also nach der Corona-Pandemie), trugen laut Standard Chartered vor allem Korea, Italien und Saudi-Arabien bei, deren Nachfrage im August um 219.000 B/T, 185.000 B/T bzw. 117.000 B/T zugenommen haben soll. Auch die Nachfrage der Türkei und Spaniens stieg um rund 0,1 Mio. B/T. Aufgrund des stärker als erwarteten Nachfragewachstums, zu dem es im August kam, haben die Analysten von Standard Chartered nun ihre Prognosen für das Gesamtjahr 2024 nach oben korrigiert.
Nach aktuellem Stand rechnen sie nun für das laufende Jahr mit einem Nachfragewachstum von 1,45 Mio. B/T. Damit gehen sie von einem stärkeren Wachstum aus als EIA und IEA, die einen Anstieg um etwa 0,9 Mio. B/T prognostizieren, bleiben jedoch unter den Erwartungen der OPEC von 1,9 Mio. B/T. Davon abgesehen verweisen die Analysten auf das im Vergleich zum Nachfragewachstum stärkere Nachlassen des Angebotswachstums der Länder, die nicht der OPEC+ angehören. Für das erste Halbjahr 2025 halten sie daher ein leichtes Angebotsdefizit von 0,2 Mio. B/T für möglich, selbst wenn die OPEC+ ihre freiwilligen Zusatzkürzungen ab Dezember zurückfährt. Dies gelte jedoch nur, wenn Russland, Irak und Kasachstan die versprochene Kompensation für zuviel geförderte Mengen einhalten.
Nachdem die beiden Rohölkontrakte Brent und WTI am Dienstag zeitweise noch so teuer waren wie seit Anfang letzter Woche nicht mehr, gaben sie am gestrigen Mittwoch schon wieder nach. Die Marktteilnehmer müssen auch weiterhin versuchen, die Unwägbarkeiten einzupreisen, die im Hinblick auf den Nahostkonflikt und auf die Entwicklung der Nachfrage bzw. der Versorgungslage bestehen.
"Die Spannungen im Nahen Osten und die wirtschaftlichen Aussichten - als Stellvertreter für die weltweite Ölnachfrage - sind die wichtigsten Faktoren“, meint auch Vandana Hari, Gründerin von Vanda Insights, die hinzufügt: "Von beiden gehen derzeit keine eindeutigen Signale aus und Rohöl könnte insgesamt in der [derzeitigen, Anm. d. Red.] Handelsspanne bleiben, bis sich diese Situation ändert."
Im Nahen Osten ist US-Außenminister Antony Blinken seit Dienstag auf diplomatischer Mission unterwegs, um die Verhandlungen über einen möglichen Waffenstillstand Israels mit der Hamas im Gazastreifen und der Hisbollah im Libanon erneut ins Rollen und hoffentlich auch zum Abschluss zu bringen. Die beiden Milizen werden vom Iran unterstützt, an dem Israel nach Teherans Raketenangriff vom 1. Oktober noch Vergeltung üben will. Bislang ist dies noch nicht geschehen und so wartet man am Markt weiterhin ab, ob der angekündigte Vergeltungsschlag das Ölangebot der Islamischen Republik beeinträchtigen wird oder nicht. Unterdessen nehmen die Kampfhandlungen zwischen Israel und Hamas bzw. Hisbollah kein Ende.
Das reichliche Ölangebot der USA, das das DOE für die Woche zum 18. Oktober registriert hatte, war einer der Faktoren, die den Rohölpreisen gestern einen erneuten Dämpfer versetzten. Während die US-Rohölproduktion mit 13,5 Mio. B/T auf dem Allzeithoch blieb, das in den wöchentlichen Erhebungen des DOE erstmals in der Woche zum 11. Oktober erreicht worden war, legten die landesweiten Rohölvorräte um 5,5 Mio. Barrel zu. Die Gesamtnachfrage der USA sank allerdings in der aktuellen Berichtswoche um 0,4 Mio. B/T, wenngleich die Raffinerien im Vergleich zu den jeweiligen Referenzwochen so viel Rohöl verarbeiteten, wie seit 2018 nicht mehr.
Was die chinesische Nachfrage anbelangt hatten zuletzt die von Peking für private Raffineriebetreiber angekündigten höheren Rohölimportquoten für 2025 sowie mehrere konjunkturstützende Maßnahmen die Aussichten hinsichtlich der Ölnachfrage der Volksrepublik wieder etwas verbessert. Allerdings kippt die Stimmung der Marktteilnehmer diesbezüglich leicht, sodass schlechter als erwartete Konjunkturindikatoren der Mitte oder anderweitige bearishe Meldungen aus dem Reich der Mitte die Nachfragesorgen schnell wieder steigen lassen können.
In den kommenden zwei Wochen könnten außerdem die US-Präsidentschaftswahlen sowie der nächste Zinsentscheid der Fed die Karten für die Finanzmärkte im Allgemeinen und die Ölmärkte im Speziellen wieder neu mischen. Heute Morgen bleibt der Blick der Marktteilnehmer allerdings erst einmal auf den Nahen Osten gerichtet. Die Ölfutures testen heute Morgen auch schon wieder die Vortageshochs. Bei den Inlandspreisen zeichnet aktuell rein rechnerisch Aufwärtspotenzial im Vergleich zu den Erhebungspreisen von gestern ab.
API: US-Rohölvorräte stärker als erwartet gestiegen
23. Okt. 2024
Die landesweiten Rohölvorräte der USA legten laut API in der vergangenen Woche doppelt so stark zu, wie von den Analysten erwartet. Die Bestände an Destillaten und Benzin sollen dagegen gesunken sein.
Während die Analysten davon ausgehen, dass die landesweiten Rohölvorräte der USA in der Woche zum 18. Oktober um 0,8 Mio. Barrel zunahmen, meldete das American Petroleum Institute (API) doppelt so starke Aufbauten. Die Bestände im US-Zentrallager in Cushing, Oklahoma, sollen leicht abgenommen haben.
Bei den Produkten registrierte das API einen Rückgang der Destillatbestände, der in etwa so hoch ausfiel wie in den Erwartungen der Analysten. Bei den Benzinvorräten soll es allerdings zu stärker als erwarteten Abbauten gekommen sein. Der Rückgang der Bestände in den beiden Produktkategorien lässt in Kombination mit dem Anstieg der Rohölbestände darauf schließen, dass die Auslastung der Raffinerien in den USA in der vergangenen Woche abnahm. So rechnen die Analysten auch mit einem Rückgang der Auslastung um 0,1 Prozentpunkte. Der Bestandsbericht des API enthielt wie üblich keine konkreten Daten zur Entwicklung des Raffineriebetriebs.
Diese wird erst das DOE in seinem offiziellen wöchentlichen Ölmarktbericht liefern, der heute um 16:30 Uhr erscheint und wie gewohnt auch Daten zu Rohölproduktion, Nachfrage und Ölaußenhandel der USA enthalten wird. Die Ölfutures an ICE und NYMEX zeigten Dienstagnacht keine nennenswerte Reaktion auf den API-Bericht.
Die Ölfutures an ICE und NYMEX setzten am gestrigen Dienstag die tags zuvor begonnene Aufwärtskorrektur fort, wobei der Preis der Nordsee-Rohölsorte Brent auch wieder über das psychologisch wichtige Niveau von 75 Dollar pro Barrel kletterte.
Der Analyst Yeap Jun Rong von IG hält die in den vergangenen Tagen von Chinas Regierung verkündeten Maßnahmen zur Ankurbelung der chinesischen Wirtschaft für einen Faktor, der die Preise zum Wochenbeginn wieder steigen ließ. "Chinas jüngste Stimulierungsmaßnahmen könnten zu einer gewissen Stabilisierung der Lage führen oder sogar eine nachhaltigere Erholung vorantreiben, was sich positiv auf die Ölnachfrage auswirken könnte", so Yeap, demzufolge die Marktteilnehmer gestern jedoch auch einpreisten, "dass sich der Konflikt im Nahen Osten noch länger hinziehen" dürfte.
Auch die Analysten der ING Bank verweisen auf den Nahostkonflikt. Während der Auftakt der einwöchigen Nahost-Reise von US-Außenminister Antony Blinken gestern noch keine Ergebnisse zutage gefördert habe, was eine Fortsetzung der Verhandlungen über einen Waffenstillstand im Gazastreifen oder den Konflikt Israels mit der Hisbollah anbelangt, warte der Markt "weiterhin auf die Reaktion Israels auf den iranischen Raketenangriff“ vom 1. Oktober. Bei dieser bleibt immer noch ungewiss, ob Israel tatsächlich darauf verzichtet, die Ölinfrastruktur Irans mit einzubeziehen, was das Risiko umfangreicherer Angebotsausfälle minimieren würde.
Sollten die Marktteilnehmer die geopolitische Risikoprämie, die der Markt auch nach Meinung des Analysten Gao Jian von Qisheng Futures Co. zuletzt widergespiegelt habe, wieder reduzieren, dürften die "schwachen Fundamentaldaten" wieder in den Fokus rücken, "wobei die Risiken eher nach unten tendieren“.
Auf kurze Sicht wird heute erst einmal der offizielle US-Ölbestandsbericht des DOE in den Vordergrund rücken. Dieser dürfte laut Analysten und API für die Woche zum 18. Oktober einen Anstieg der landesweiten Rohölvorräte sowie Abbauten bei den Destillat- und Benzinbeständen zeigen. Für die Marktteilnehmer dürfte allerdings auch von Interesse sein, ob die US-Rohölproduktion in der vergangenen Woche weiter zunahm, denn in der Woche zuvor hatte sie mit 13,5 Mio. B/T den höchsten Stand erreicht, der in den wöchentlichen DOE-Daten je registriert wurde. Ein weiterer Anstieg der US-Rohölproduktion würde ebenso bearish wirken wie ein erneuter Rückgang der Nachfrage.
Heute Morgen bleiben die Ölfutures an ICE und NYMEX aber zunächst einmal nahe den Vortageshochs. Bei den Inlandspreisen zeichnet sich daher aktuell rein rechnerisch weiterhin Aufwärtspotenzial im Vergleich zu den Erhebungspreisen von gestern ab.
US-Außenminister auf Nahost-Tour
22. Okt. 2024
US-Präsident Joe Biden hatte den Tod von Hamas-Anführer Yahya Sinwar bereits vergangene Woche als möglichen Ausgangspunkt für weitere Verhandlungen über einen Waffenstillstand im Gazastreifen eingestuft. Für den Außenminister der USA, Antony Blinken, beginnt am heutigen Dienstag nun eine einwöchige Nahost-Reise, im Rahmen derer nicht nur Israel, sondern auch Jordanien und Katar als Ziele auf der Agenda stehen.
Einem hochrangigen Vertreter des US-Außenministeriums zufolge will Blinken mit den Regierungsvertretern Israels und der beiden Arabischen Länder darüber sprechen, wie der Krieg im Gazastreifen beendet werden und wie die Zukunft des Gebiets aussehen könnte. Auch eine Verbesserung der humanitären Situation im Gazastreifen sowie Lösung des Konflikts zwischen Israel und der Hisbollah-Miliz auf diplomatischem Wege werden wichtige Punkte sein, die Blinken mit seinen Gesprächspartnern diskutieren will.
Dass es bei diesen Gesprächen noch im Verlaufe dieser Woche zu einem Durchbruch kommen wird, ist laut Aaron David Miller, einem Senior Fellow bei der Carnegie Endowment for International Peace allerdings "sehr schwer vorstellbar“. Seiner Ansicht nach bestehe weder auf Seiten der Hamas, noch auf Seiten Israels "die Dringlichkeit (...), den Krieg zu beenden". Zur Einschätzung der US-Regierung, die Tötung Sinwars sei eine Chance für erneute Waffenstillstandsgespräche meint Miller: "Den Moment auszunutzen ist in diesem Fall ein grundlegend irreführendes Konzept, denn ich bin mir nicht sicher, ob es einen Moment gibt". Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu scheint dies genauso zu sehen, denn dieser betonte kurz nach der Tötung Sinwars, der Kampf gegen die Hamas sei noch nicht beendet.
Zum Wochenauftakt erholten sich die Rohölpreise an ICE und NYMEX wieder ein wenig von dem starken Preisrückgang, den sie im Verlauf der vergangenen Woche verzeichnet hatten. Dazu trugen unter anderem weitere Maßnahmen der chinesischen Regierung zur Ankurbelung der Wirtschaft Chinas bei, die sich auch positiv auf die Ölnachfrage des Landes auswirken könnten. Stützend wirkte zudem die Tatsache, dass Israel am Wochenende weitere umfangreiche Militärschläge gegen die Hamas im Gazastreifen sowie gegen die Hisbollah im Libanon durchgeführt hatte.
Wenngleich die Marktteilnehmer zuletzt auch wieder einen Risikoaufschlag eingepreist haben dürften, hält Marktexperte James Ritterbusch den gestrigen Preisanstieg eher für "eine kurze Erholung von einer überverkauften technischen Situation". Auch Analyst Satoru Yoshida von Rakuten Securities stuft die Aufwärtsbewegung von gestern als wenig aussagekräftig ein. "Die Rohölpreise schwanken als Reaktion auf die gemischten Nachrichten aus dem Nahen Osten, da die Situation zwischen Eskalation und Deeskalation schwankt", so Yoshida, der davon ausgeht, dass das Aufwärtspotenzial an den Ölbörsen aufgrund der anhaltenden Unsicherheit im Hinblick auf den Ausblick für die weltweite Konjunktur begrenzt bleiben dürfte.
Auf kurze Sicht - bis etwa Ende Oktober - könnten zudem nicht nur die Erwartungen hinsichtlich der chinesischen Wirtschaft und Ölnachfrage die Preise unter Druck setzen, sondern auch das in weiten Teilen der USA überdurchschnittlich warme Wetter. Dieses könnte unter anderem die Nachfrage nach Erdgas und Mitteldestillaten wie Heizöl beeinträchtigen.
Wie sich die US-Ölnachfrage in der vergangenen Woche entwickelt hat, wird der wöchentliche Ölmarktbericht des US-Energieministeriums (DOE) am morgigen Mittwoch um 16:30 Uhr zeigen. Der Bestandsbericht, den das API heute um 22:30 Uhr veröffentlicht, enthält wie üblich nur Daten zu den Veränderungen der US-Ölbestände.
Davon abgesehen könnte jederzeit der von Israel angekündigte Vergeltungsschlag gegen Iran für neue Impulse aus fundamentaler Richtung sorgen. Hier bleibt abzuwarten, ob Israel tatsächlich darauf verzichten wird, die iranischen Ölanlagen ins Visier zu nehmen, was beträchtliche Angebotsausfälle zur Folge haben könnte. Solange diese jedoch nicht vorliegen, begrenzt die Aussicht auf einen Luftschlag Israels gegen den Iran nur das Abwärtspotenzial, wirkt jedoch nicht wirklich bullish. Bei den Inlandspreisen zeichnet sich heute Morgen noch keine klare Richtung ab.
Iran: Neues Exportterminal verbessert strategische Ausgangslage
21. Okt. 2024
Für die Ölexporte aus dem Nahen Osten spielt die Straße von Hormus – eine Meerenge vor der Südküste des Iran – eine entscheidende Rolle. Doch der Iran könnte sich nun von diesem Nadelöhr unabhängig machen, denn das neue Exportterminal in Jask steht offenbar kurz vor der Inbetriebnahme.
Das vor einigen Jahren offiziell eröffnete Ölterminal südöstlich der Straße von Hormus war bisher nur begrenzt genutzt worden. Jüngste Satellitenbilder zeigen jedoch, dass die Anlage inzwischen etwa zur Hälfte ausgelastet ist. Allerdings bestehen auch noch einige Probleme. So ist das Terminal für die Verladung von bis zu 1 Mio. B/T und die Lagerung von 20 Mio. Barrel ausgelegt. Allerdings wurde nur eine der drei geplanten Ladebojen installiert, was die Betriebskapazität einschränkt. Die Insel Kharg, Irans wichtigstes Ölexportzentrum, schlägt täglich etwa die dreifache Menge um.
Dennoch reagiert der Markt hellhörig auf die jüngsten Aktivitäten in Jask, wo erst Mitte September der iranische Supertanker Dune etwa 2 Mio. Barrel Rohöl aufnahm. Experten bezeichneten dies als die erste nennenswerte Verladung in Jask seit den ersten Testläufen im Jahr 2021. Die verstärkten Aktivitäten am Terminal könnten ein Zeichen für eine Änderung der iranischen Exportstrategie sein, die das Land unabhängiger von den Risiken machen soll, die mit der Durchschiffung der Straße von Hormus verbunden sind. Nach Jask gelangt das Öl schließlich problemlos über eine Pipeline.
Damit würde der Iran auch seine strategische Rolle in der Region verbessern, denn Teheran hatte in der Vergangenheit schon oft mit einer Blockade der Straße von Hormus gedroht. Durch diese wird immerhin täglich ein Fünftel des globalen Ölbedarfs verschifft, so aber eben auch ein Großteil der iranischen Exporte. Mit der Alternative in Jask würde eine dauerhafte Sperrung der Meerenge den Iran deutlich weniger stark betreffen als die angrenzenden Staaten und der Iran hätte ein weiteres, äußerst wirksames Druckmittel in der Region.
Nach einer verlustreichen Woche stabilisieren sich die Notierungen an ICE und NYMEX am Montagmorgen leicht, bleiben aber in der Nähe ihrer Mehrwochentiefs vom Freitag. Letzte Woche waren die Ölpreise um über sieben Prozent eingebrochen, da die Sorge um Chinas Nachfrageentwicklung groß blieb und die Risikoprämie im Nahen Osten kleiner wurde.
Hier hatte Israels grundsätzliche Bereitschaft, bei einem möglichen Angriff auf den Iran die Atom- und Energieanlagen zu verschonen, für Abwärtsdruck gesorgt, da die Gefahr eines umfassenderen Angebotsausfalls damit geringer wurde. Doch übers Wochenende haben sich vor allem die Kämpfe mit der vom Iran unterstützten Hisbollah verschärft.
So war am Samstag eine Drohne der Miliz Nahe des Privathauses von Benjamin Netanjahu an der Mittelmeerküste explodiert. Der israelische Ministerpräsident berief noch am Wochenende einen neuen Krisenstab ein, um den seit Wochen angedrohten Vergeltungsschlag gegen den Iran zu besprechen. Gleichzeitig zogen die Angriffe auf libanesische Ziele massiv an.
Damit kehren die alten Ängste wieder zurück an den Ölmarkt, dass eine Ausweitung des Konfliktes und ein Überspringen des Krieges auf andere Länder der Region die globale Versorgungslage beeinträchtigen könnte. Unterdessen bemüht sich Israels engster Verbündeter Washington nach wie vor um Diplomatie. Präsident Joe Biden deutete am Wochenende an, dass er über Einzelheiten zu Israels Plänen verfügt, wollte diese aber nicht preisgeben.
"Es sieht so aus, als ob der Markt das Risiko eines israelischen Angriffs auf den Iran zumindest vor den US-Wahlen am 5. November als gering einschätzt", meint Marktanalystin Vandana Hari von Vanda Insights mit Blick auf die anstehenden US-Präsidentschaftswahlen. "Ich rechne mit einem schwankenden Handel, da der Rohölpreis auf weitere Anhaltspunkte für einen Auf- oder Abschwung wartet".
Ein solcher Anhaltspunkt könnte eventuell doch noch einmal aus China kommen, denn die chinesische Zentralbank senkte am Montagmorgen erwartungsgemäß die Leitzinsen als Teil eines breiteren Pakets von Konjunkturmaßnahmen zur Belebung der Wirtschaft. Die letzten Schritte der Regierung in Peking waren aber vor allem am Ölmarkt mit verstärkter Skepsis aufgenommen worden. Bisher kann sich in diesem Zusammenhang kein bullishes Momentum durchsetzen, zumal Daten vom Freitag gezeigt haben, dass die chinesische Wirtschaft im dritten Quartal so langsam wuchs wie seit Anfang 2023 nicht mehr.
Libyen: Spekulationen über Rücktritt des NOC-Chefs
18. Okt. 2024
In Libyen kursieren Berichte, dass der Vorsitzende der National Oil Company (NOC), Farhat Bengdara, seinen Rücktritt eingereicht haben soll. Bengdara war im Juli 2022 als Kompromisskandidat von den rivalisierenden Regierungen in Tripolis, unter der Führung von Abdulhamid Dbeibah, und Bengasi, vertreten durch General Khalifa Haftar, eingesetzt worden.
Das Ölministerium in Tripolis wies die Gerüchte zurück und betonte, dass kein Rücktrittsgesuch von Bengdara vorliege. Während einige Quellen gesundheitliche Gründe für den angeblichen Rückzug anführen, vermuten andere, dass die Spannungen zwischen den beiden rivalisierenden Regierungen eine Rolle spielen könnten. Es gibt zudem Berichte, dass bereits einer der Söhne Haftars als möglicher Nachfolger im Gespräch sei.
Die gestrigen US-Ölbestandsdaten zeigten deutliche Rückgänge in den wichtigsten Kategorien und gaben den Märkten leichten Auftrieb. Allerdings wird der bullishe Effekt relativiert, da die Rückgänge in Teilen auf niedrigere Importe zurückzuführen, während die Ölförderung in den USA ein neues Allzeithoch markierte.
Gleichzeitig belasten die Monatsberichte der EIA, IEA und OPEC die Stimmung. Diese deuten auf eine mögliche Überversorgung im kommenden Jahr hin, was der OPEC+ kaum Spielraum lässt, um die Rückführung der freiwilligen Produktionskürzungen im Dezember zu beginnen. Hinzu kommen schwache Konjunkturaussichten in Europa und eine gedämpfte Nachfrageerwartung in China, die das mittelfristige Marktumfeld weiterhin negativ beeinflussen.
Einige positive Signale kamen heute Morgen aus China, wo die jüngsten Wirtschaftsdaten einen Hoffnungsschimmer setzten. Dennoch bleibt der Fokus auf die angespannte Lage im Nahen Osten gerichtet. Die Tötung des Hamas-Anführers Yahya Sinwar hat die Spannungen in der Region weiter verschärft. „Die geopolitischen Risiken bleiben hoch“, betonte Analyst Aditya Saraswat von Rystad Energy.
Ein militärischer Konflikt könnte die Ölexporte aus der Region gefährden und geplante Förderprojekte verzögern. Sollten wichtige Ölanlagen angegriffen werden, könnten bis zu 1,4 Mio. B/T der iranischen Produktion bedroht sein, was eine signifikante Angebotsunterbrechung bedeuten würde, so Saraswat weiter.
Die jüngste Abwärtsbewegung der Ölpreise wurde teilweise durch Berichte begünstigt, dass Israel die iranische Ölinfrastruktur bei ihren angekündigten Vergeltungsschlägen verschonen will. Die Analysten von Citi warnten jedoch, dass das Risiko weiterhin besteht, besonders angesichts der hitzigen Rhetorik. Citi senkte zudem ihre Prognose für das globale Nachfragewachstum 2025 auf 0,9 Mio. B/T, nach einem erwarteten Zuwachs von 1,0 Mio. B/T im Jahr 2024. Selbst ein stärkeres Abschneiden der chinesischen Wirtschaft würde demnach nur einen geringen Einfluss auf die Nachfrageprognose haben.
Vor dem Wochenende dürften sich Trader aufgrund der Unsicherheiten im Nahen Osten mit neuen Short-Positionen zurückhalten, um nicht von einer möglichen Eskalation überrascht zu werden. Trotz eines überwiegend bearishen Ausblicks hinsichtlich von Angebot und Nachfrage, bleibt die Marktstimmung kurzfristig neutral.
Iran: Ölleck nahe der Insel Kharg
17. Okt. 2024
Der Iran versucht derzeit, die Auswirkungen eines Öllecks an einer Unterwasserpipeline einzudämmen, welches nahe der Insel Kharg entdeckt wurde. Dies teilte die halbstaatliche Nachrichtenagentur Tasnim am gestrigen Mittwoch mit und berief sich dabei auf Informationen eines Vertreters der regionalen Hafen- und Seefahrtsbehörde.
Da die Insel Kharg über einen für den Iran wichtigen Ölexportterminal verfügt und noch unklar ist, wodurch das Leck verursacht wurde, werden die Marktteilnehmer die Meldungen diesbezüglich im Auge behalten. Denn erst gestern hatte das Büro des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu darauf hingewiesen, dass Israel den Rat anderer Länder (allen voran der USA), bei einem Vergeltungsschlag für einen Raketenangriff Irans am 1. Oktober die Atom- und Ölanlagen der Islamischen Republik nicht mit einzubeziehen, zwar annehmen werde, seine Entscheidungen jedoch letztlich unabhängig treffe.
In der ersten Wochenhälfte hatten enttäuschende Meldungen aus China, die bearishen Monatsberichte von OPEC und EIA sowie die Hoffnung auf eine Entspannung des Konflikts zwischen Israel und dem Iran die Preise an den Ölbörsen deutlich sinken lassen. Während Brent das psychologisch wichtige Preisniveau von 75 Dollar an den vergangenen beiden Tagen auch im Settlement unterschritten hat, schreckten die Trader vor Settlementpreisen unterhalb von 70 Dollar bei WTI noch zurück.
Dies mag daran liegen, dass in den USA heute das Energieministerium (DOE) die offiziellen Bestandsdaten für die vergangene Woche herausgibt. Sollte das DOE die vom API gemeldeten Bestandsveränderungen bestätigen, hätten die landesweiten Rohölvorräte der USA nach zwei Wochen mit Aufbauten wieder abgenommen. Auch bei den Vorräten an Benzin und Destillaten rechnet das API mit Abbauten. Die Frage ist allerdings, wie stark Hurrikan Milton die Entwicklung der US-Bestände in der aktuellen Berichtswoche beeinflusst hat. Daher bleibt auch abzuwarten, wie stark die Marktteilnehmer den heutigen Bestandsbericht des DOE gewichten werden.
Ein stärkerer Preisrückgang wird allerdings weiterhin auch durch den Konflikt im Nahen Osten verhindert. Am Dienstag hatten die Marktteilnehmer einen Großteil des Risikoaufschlags wieder ausgepreist, da Medienberichte darauf hindeuteten, dass Israel bei einem Vergeltungsschlag gegen Teheran nicht - wie anfangs noch angedroht - die Atom- und Ölanlagen Irans ins Visier nehmen würde. Eine Mitteilung des Büros von Israels Premierminister Netanjahu zu diesen Berichten und ein Leck an einer iranischen Unterwasser-Pipeline vor der Insel Kharg, dessen Ursache noch unbekannt ist, führte allerdings dazu, dass die Marktteilnehmer wieder in Hab-Acht-Stellung sind.
Ausfälle des iranischen Ölangebots könnten die Preise zumindest kurzfristig wieder steigen lassen. Mittel- bis langfristig gäben sie der OPEC+ allerdings einen triftigen Grund, die freiwilligen Produktionskürzungen im Umfang von 2,2 Mio. B/T wieder zurückzufahren. Damit will die Allianz eigentlich im Dezember beginnen, angesichts der bearishen Monatsberichte, die EIA, IEA und auch die OPEC selbst jüngst veröffentlicht haben, fragen sich viele Analysten allerdings, ob das Produzentenbündnis damit nicht doch noch länger warten wird.
Heute Nachmittag rückt dann auch die EZB wieder in den Fokus, die bei der heutigen Ratssitzung erneut über das Zinsniveau im Euroraum entscheiden wird. Am Markt geht man davon aus, dass die Notenbanker und Notenbankerinnen die Leitzinssätze erneut um 25 Basispunkte senken werden. Wie stark dies den EUR/USD-Kurs noch belasten wird, bleibt allerdings abzuwarten, denn die Gemeinschaftswährung befindet sich gegenüber dem Dollar bereits seit Ende September in einem Abwärtstrend.
OPEC+ könnte Planungen ändern
16. Okt. 2024
Zum Dezember plant die OPEC+ eigentlich einen Teil ihrer Produktionskürzungen wieder zurück an den Markt zu bringen. Die jüngsten Monatsreports zeigen allerdings, dass der Markt nicht unbedingt in der Lage ist weitere Angebotssteigerungen aufzunehmen.
Die IEA hat für 2025 das Überangebot auf 1,2 Mio. B/T taxiert, sodass höhere Fördermengen die Situation für die OPEC+ weiter verschärfen würden. Am Montag hatte die OPEC in ihrem eigenen Monatsreport ebenfalls Anpassungen vorgenommen, mit denen die Gruppe die Erwartungen für den Ölbedarf 2025 aus OPEC-Ländern um -0,2 Mio. B/T gesenkt hat.
Die Abwärtsreaktion in den vergangenen Tagen hat sicherlich einen erheblichen Anteil der Risikoprämie aus dem Markt genommen, der mit dem Raketenangriff des Iran auf Israel eingepreist wurde.
Brent notierte vor der Attacke bei etwa 71 bis 72 Dollar und wird nun wieder bei 74,50 Dollar gehandelt. Dies lässt den Schluss zu, dass noch immer ein Teil der Risikoprämie im Markt vorhanden und damit Abwärtspotenziale vorhanden sind. Die Prämie dürfte mit der Absage einer Attacke auf die Öl- und Atomanlagen nicht vollständig verschwinden, da Angriffe auf militärische Ziele im Iran noch immer die Möglichkeit einer Eskalation bergen.
Die Monatsreports von IEA und OPEC haben diese Woche allerdings gezeigt, dass den Bullen im Markt nur wenig Hoffnung zu machen ist. Mit einer Überversorgung in 2025 vor der Brust und einer massiven Kapazitätsreserve der OPEC+ Länder gibt es keine Argumente für starke Preissteigerungen. Wenn die Situation im Nahen Osten – oder auch andere Brandherde – nicht derart eskalieren, dass das Ölangebot deutlich eingeschränkt wird, dürfte sich an dem mittelfristig bearishen Gesamtbild für 2025 auch nur wenig ändern.
Chinas starkes Ölnachfragewachstum verliert als der Hoffnungsschimmer der Bullen zunehmend an Glanz. Der Anteil am Nachfragewachstum in 2024 und 2025 sieht die IEA nur noch bei etwa 20%, nachdem es in den vergangenen Jahren rund 70% waren. Den Mythos eines starken Comebacks der chinesischen Ölnachfrage dürfte man damit wohl endgültig bei Seite legen, zumal Experten auch beim Wirtschaftswachstum in den kommenden Jahren nicht mehr mit mehr als 5% rechnen.
Analyst Joseph Dahrieh, von Tickmill, geht davon aus, dass die Aufwärtspotenziale begrenzt bleiben, während die schlechten Konjunkturerwartungen für China und die Eurozone auf einen volatilen und kurzfristig möglicher Weise bearishen Ausblick schließen lassen. Analyst John Evans, von PVM, sieht dies ähnlich und verweist auf die Korrekturen bei den Monatsreports. Die OPEC schätze das Nachfragewachstum noch immer deutlich stärker ein als die IEA, aber die Korrektur nach unten sei ein Eingeständnis, dass das hohe Nachfragewachstum „Wunschdenken“ sei, so seine Schlussfolgerung.
Phil Flynn, von der Price Futures Group, sieht in den aktuellen Preisbewegungen in erster Linie noch immer eine Reaktion auf die veränderten Vorzeichen bei den Spannungen im Nahen Osten. „Wir erleben gerade die Auflösung der Kriegsprämie, die wir letzte Woche aufgebaut haben. [Das] ist nicht wirklich dem Angebot geschuldet, sondern der [Risikoeinschätzung] zu Angebot und Nachfrage.“
Aufatmen am Ölmarkt – Kein Angriff auf Irans Öl
15. Okt. 2024
Seit zwei Wochen wartet die Weltgemeinschaft schon auf Israels angekündigten Vergeltungsschlag gegen den Iran. Dabei war die größte Sorge am Ölmarkt, dass auch Energieinfrastruktur wie Ölförder- oder Exportanlagen getroffen werden könnten. Doch nun hat Israel den USA versichert, sich bei einem Angriff auf militärische Ziele beschränken zu wollen.
Dies meldete die Washington Post heute Nacht unter Berufung auf zwei Insiderquellen. Demnach habe Israels Premierminister Netanjahu schon letzte Woche bei einem Telefonat mit Joe Biden zugesichert, die Atom- und Energieanlagen des Iran verschonen zu wollen. Bei Gesprächen zwischen dem US-Verteidigungsminister Lloyd Austin und seinem israelischen Amtskollegen Yoav Gallant in den vergangenen Tagen bestätigte Gallant diese Absicht erneut.
Mit der Nachricht, dass Israel bei einem Vergeltungsschlag gegen den Iran nicht die Öl- und Atomanlagen ins Visier nehmen wird, brachen die Ölpreise gestern regelrecht ein. Die Risikoprämie, die am Markt in den letzten Wochen aufgrund der Befürchtung möglicher Angebotsunterbrechungen auf iranischer Seite eingepreist worden war, fiel größtenteils weg und die Anleger an ICE und NYMEX reagierten mir Erleichterung.
„Ein reduzierter Schlag Israels gegen den Iran verringert die Versorgungsrisiken und damit die Notwendigkeit einer geopolitischen Risikoprämie“, erklärt Dominic Schnider, Leiter des Bereichs Global Foreign Exchange and Commodities bei UBS Global Wealth Management. „Außerdem rücken alte Nachfragesorgen wieder in den Vordergrund“, so der Analyst.
Schon am Montag waren die Ölfutures aus genau diesem Grund unter Druck geraten, nachdem das mit Spannung erwartete Briefing des chinesischen Finanzministeriums am Wochenende keine konkreten neuen Anreize zur Ankurbelung des Verbrauchs im größten Rohölimporteur der Welt enthielt. Gestern Nachmittag folgte dann noch der OPEC-Monatsreport, der erneut ein schwächeres Nachfragewachstum prognostizierte und seine Vorhersagen für dieses und das nächste Jahr zum dritten Mal in Folge nach unten korrigiert hat.
„Dies ist die dritte monatliche Herabstufung in Folge, was darauf hindeutet, dass die zuvor optimistischen Prognosen der OPEC weiter zurückgehen“, so die Analysten von ANZ Research in einer Notiz vom Dienstag. Sie weisen zudem darauf hin, dass der Irak immer noch keine echten Fortschritte bei seinen versprochenen Kompensationskürzungen mache, auch wenn die Fördermengen des Landes im September leicht gesunken sind.
Heute folgt noch der Monatsbericht der IEA am Vormittag, der aller Wahrscheinlichkeit nach ebenfalls eher bearish ausfallen wird. Es bleibt jedoch abzuwarten, wieviel Abwärtsdynamik nach dem starken Preisnachlass von heute Nacht im weiteren Tagesverlauf noch übrig ist, auch wenn die fundamentale Ausgangslage sich am Dienstag klar bearish präsentiert.